Best of Lesungen: Kay Jacobs

Vor ein paar Jahren war ich zu einer Lesung beim Braunschweiger Krimifestival geladen. Ich wurde in genau dem Hotel untergebracht, das später in Juli Zehs „Leere Herzen“ Selbstmordattentäter beherbergte. Trotzdem, ich fühlte mich wohl, ich wusste das ja noch nicht.

Die Lesung war ausverkauft. Kein Grund anzugeben, bei den Braunschweigern ist es meistens ausverkauft. Gerade war ich bei einer Szene angelangt, wo in die Hamburger Gerichtsmedizin eingebrochen wird, um eine Leiche zu stehlen. Da kam aus meinem Handy Sirenengeheul: Einbruchalarm. Meine Frau war an diesem Abend bei ihrem Französisch-Kurs, meine Tochter bei ihrem Freund, und bei uns zu Hause brach offenbar jemand ein.

Oder auch nicht. Fehlalarm, vielleicht. Unsere superteure und hypermoderne Alarmanlage belästigt nicht nur das halbe Dorf (Reaktion der Nachbarn: Fenster schließen), sondern sendet mir auch eine Nachricht aufs Handy, wenn sie einen Einbruch vermutet. Und damit mir kein Alarm entgeht, habe ich die Nachrichten von der Anlage auf „Alarm laut“ geschaltet und vom Ruhemodus ausgenommen. Bis zu diesem Tag hatte es nie einen Einbruch gegeben, und in alle den Jahren auch nur einmal einen Fehlalarm. Und jetzt?

Mein Mikrofon transportierte das Geheul durch den Raum, die Zuhörer waren genauso verdutzt wie ich. Und ich brauchte einige hektische Versuche, diese verdammte Sirene auszuschalten. Dann war Stille. Ich konnte jetzt nicht einfach weiterlesen und erzählte die Geschichte unserer Alarmanlage. Dass ich den Handyalarm nicht einfach stummschalten konnte, weil die Nachbarn ja nicht reagierten, und dass es fast nie Fehlalarm gab, einmal aber doch. Und dass vielleicht wirklich nur die schusselige Tochter sich mit ihrem Freund gestritten, planwidrig nach Hause gefahren und dann in aller Rage vergessen hatte, die Anlage auszuschalten. Und dass ich daran dachte, Frau, Tochter oder Nachbarn anzurufen und zu bitten, nach dem Rechten zu schauen. Doch damit würde ich sie vielleicht in Gefahr bringen. Also doch besser gleich die Polizei anrufen?

Die Leute hörten aufmerksam zu, waren heiter, lachten zwischendurch – das konnte ich überhaupt nicht verstehen – und bei der Abmoderation attestierte mir der Moderator ein großes schauspielerisches Talent.

Tatsächlich war es ein Fehlalarm gewesen. Den Grund haben wir nie herausgefunden. Und seither schalte ich das Handy bei Lesungen aus.

 

Übrigens: Jahre später, während eines Lesungswochendes mit Kurt Geisler auf Gut Panker, gab es nachts um drei (die Lesung war vorbei, das Handy wieder an) den nächsten Fehlalarm. Es muss mit den Lesungen zu tun haben.

Kay Jacobs

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Kay Jacobs, Jahrgang 1961, studierte Jura, Philosophie und Volkswirtschaft in Tübingen und Kiel. Er promovierte über Unternehmensmitbestimmung und war anschließend viele Jahre in unterschiedlichen Kanzleien als Rechtsanwalt tätig. Heute lebt er mit seiner Familie in Norddeutschland und schreibt über all das, was er als Anwalt erlebt hat oder hätte erlebt haben können. Für »Kieler Helden« wurde er mit dem Silbernen Homer ausgezeichnet.


Die Hausfrau Franziska Fuffziger wird in ihrer Wohnung tot aufgefunden. Ihr Ehemann Carl stellt sich der Polizei und gesteht die Tat. Er erklärt Kommissar Rosenbaum, dass er seine Frau im Affekt erschlagen habe, er sei schon immer jähzornig gewesen und habe sich oft nicht unter Kontrolle. Rosenbaum und sein Assistent Gerlach recherchieren Fuffzigers Leumund und sind verwirrt: Seine Mutter im Ruhrgebiet – die Eheleute Fuffziger sind vor siebzehn Jahren von Bochum nach Kiel gezogen – schildert ihn als gewalttätigen und rücksichtslosen Mann, weshalb der Kontakt nach dem Umzug vollkommen abgerissen sei. Luise, Fuffzigers Tochter, hingegen stellt ihn als liebevollen Vater dar. Durch Zufall gerät Fuffziger in den Verdacht, vor wenigen Monaten bei der Verteilung von gefälschten 50.000-Mark-Scheinen geholfen zu haben. War dies das Motiv für den Mord? Oder war es Rache für einen vermeintlichen Ehebruch?

Quelle: (Gmeiner Verlag)

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